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Wo einige gleicher sind.

FSK sendet ein immer gleichförmigeres Programm, das immer weniger Leute hören. Diese Entwicklung ist eine direkte Folge der inneren Zustände des Senders


Mittwoch, den 31.5., 22 Uhr: Hamburg hat einen Tag voll politischer Auseinandersetzungen erlebt, die zu dieser späten Stunde noch andauern. FSK sendet eine halbstündige „Zusammenfassung der Ereignisse“. Dabei werden die Forderungen und politischen Inhalte, um die es diesen Tag gegangen ist, nur einmal kurz erwähnt – unmittelbar vor der Abmoderation (1). Stattdessen: ausführliche Schilderungen von Demorouten, Polizistenzahlen, Standorte von Wasserwerfern – und vor allem von Polizeibrutalität. Die unbedarfte ZuhörerIn muss denken, heute habe ein gigantisches Räuber-und-Gendarm-Spiel stattgefunden, das irgendwie aus dem Ruder gelaufen sei. Der Moderator kündigt juristische Konsequenzen für die Polizei an. Die Hausdurchsuchungen, die im Augenblick der Sendung stattfinden, erwähnt er nur kurz – und zwar so, als seien sie bereits beendet. Auch sei ihr politischer Hintergrund nicht klar, und FSK wolle sich nicht „aufs Feld der Spekulationen“ begeben.


Das politische Niveau der Sendung lässt sich in drei Wörtern zusammenfassen: unterhalb der Grasnarbe. Praktische Solidarität für die Wohnprojekte, die gerade vom LKA gefilzt werden, organisiert sie nicht. Die Studierenden, die den Tag über gegen die neoliberale Hochschulpolitik demonstriert haben, reduziert sie auf eine Rolle als bedauernswerte Opfer ohne politische Forderungen. Und die Staatsmacht bläst sie auf zum übermächtigen Riesenmonster. Zurück bleibt der Eindruck, Demonstrieren sei eine hoch gefährliche Angelegenheit, von der mensch sich besser fern hielte.


Die entpolitisierten und polizeifixierten Demoberichte des FSK sind oft kritisiert worden – auch im Sender selbst. Dennoch machen die immer gleichen Leute weiterhin die immer gleichen Demosendungen. Was seinen Grund hat: Entscheidungen, die das gesamte Projekt betreffen, fällt eine kleine Gruppe von Leuten. Und die diskutiert nicht und lässt sich nicht kritisieren. Als Siegerin des Konflikts zwischen im Großen und Ganzen eher antiimperialistisch und eher antideutsch ausgerichteten Strömungen sieht sie ihr Hauptziel darin, das FSK von „gefährlichen“ Tendenzen frei zu halten – oder, wie ihre VertreterInnen es einmal im „Transmitter“ formulierten (völlig unironisch übrigens): den „linken Sumpf trocken zu legen“. 


Bei solch einer Mission verwundert es nicht, dass mit harten Bandagen gekämpft wird. Heute taucht bei den Sitzungen des FSK-Delegiertenplenums „AnbieterInnengemeinschaft“ praktisch kein Mensch mehr auf, der nicht zur das FSK dominierenden Gruppe gehört – deren Umgangsformen sind einfach zu ruppig. Sie bevorzugt, unter sich zu bleiben, und macht das ZuhörerInnen auch unmissverständlich klar. In einem Fall hat sie die Sitzung sogar ohne weitere Angabe von Gründen für geschlossen erklärt und einen Gast vor die Tür gesetzt. Entscheidungen, etwa über die Vergabe von Sendeplätzen, fällt sie nach persönlicher Sympathie oder Antipathie. Sendungsredaktionen, die eine Sondersendung machen oder mehr Sendezeit haben wollten, mussten schon bis zu fünf Monate lang bei den Sitzungen der AnbieterInnengemeinschaft vorsprechen – um dann eine Absage zu bekommen. Im Zweifelsfall lehnen die FSK-Granden den Antrag ab, mit der bequemen Begründung, die betreffende Redaktion könne nicht garantieren, dass sie in der zusätzlichen Zeit keine unerwünschten Inhalte senden würde. 

Dieses Argument dient auch dazu, neue Gruppen und Sendungen vom Radio fernzuhalten. Nicht einmal zip-FM schaffte es über diese Hürde - ein tägliches halbstündiges Nachrichtenmagazin, das vom Bundesverband Freier Radios (BFR) produziert wird. Im BFR sind 31 Radioinitiativen zusammengeschlossen; die Redaktion von zip-FM übernehmen reihum verschiedene Sender und stellen aktuelle Beiträge aller BFR-Radios zusammen. Aktuell, in täglicher Ausgabe, sorgfältig gemacht, die Arbeit auf viele Schultern verteilt, vielstimmig politische Themen aus verschiedenen Perspektiven behandelnd – die Sendung mag zahlreiche Pluspunkte auf sich vereinen, fürs FSK ist sie nicht gut genug. Ihr Haken: Sie ist nicht kontrollierbar. Und dementsprechend lautet auch die Begründung dafür, dass sie vom FSK nicht ausgestrahlt wird: weil niemand garantieren könne, dass nicht ein anderes Freies Radio einen zip-FM-Beitrag mit unerwünschten Inhalten produziert. Zum Beispiel einen, in dem die antiimperialistische Strömung der Linken gut wegkommt – siehe oben. 


Während von außen kaum noch neue Leute und schon gar keine Gruppen es mehr in das FSK schaffen, macht sich drinnen eine Stimmung zwischen Resignation und Einschüchterung breit. Verschärft wird die Situation durch das Sendeverbot, das die AnbieterInnengemeinschaft im April gegen Wolfgang von der Sendung „Knast und Justiz“ verhängt hat, und das nur als Willkürmaßnahme bezeichnet werden kann. 


Begründet wird dieses Verbot im Protokoll der Sitzung damit, dass Wolfgang gegen Auflagen verstoßen habe, die früher einmal über ihn verhängt worden seien. Welche Auflagen das gewesen sein sollen, steht aber weder in diesem noch in irgendeinem sonstigen Protokoll des FSK-Gremiums. Konkret wirft die AnbieterInnengemeinschaft ihm vor, außer bei der Freitagabendsendung „Knast und Justiz“ auch bei einer zusätzlichen Donnerstagsnachmittagssendung „Knast und Justiz“ mitgesendet zu haben. Die aber sei zwar seiner Redaktion genehmigt, ihm jedoch ausdrücklich verboten worden, weil er als früheres Mitglied der verblichenen Radiogruppe „Forum Radio“ keine zusätzliche Sendezeit bekommen solle. „Forum Radio“ war eine der fünf Gruppen, aus denen das FSK sich einst zusammensetzte. Im erwähnten früheren Konflikt zwischen – vereinfacht ausgedrückt – eher antiimperialistisch und eher antideutsch ausgerichteten Strömungen hat „Forum“ den Kürzeren gezogen und sich schließlich aufgelöst. Offenbar als letzter Akt dieses eigentlich vor Jahren ausgefochtenen Streits wird jetzt Wolfgang aus dem Sender gejagt. Ging es bei früheren Sendeverboten immer um Antisemitismus, so schnurrten die Vorwürfe gegen Wolfgang darauf zusammen, er habe dem Sender geschadet.


Alle diejenigen Sendenden, die nicht zum Zirkel der Mächtigen gehören, müssen dieses Sendeverbot als Warnung auffassen: Wolfgang durfte sich gegen die Vorwürfe, die man ihm machte, nicht einmal verteidigen. Er wurde einfach per Beschluss rausgeworfen, ohne wenigstens persönlich darüber informiert zu werden, dass ein Antrag auf Sendeverbot gegen ihn vorliegt. Der Antrag wurde lediglich im März-Protokoll der AnbieterInnengemeinschaft kurz erwähnt.


Keiner HörerIn, die das Programm des FSK verfolgt, wird entgangen sein, dass es immer öder wird. Immer weniger guten, engagierten und politisch für Debatten offenen Sendungen stehen immer mehr Sendungen gegenüber, die schlampig gemacht, selbstgerecht und lediglich auf Bestätigung durch die eigene In-Group ausgerichtet sind.



Politische Mitsprache aller Sendenden gibt es im FSK nicht. Die AnbieterInnengemeinschaft setzt sich zusammen aus denen, die übrig geblieben sind. So schaltet und waltet im FSK ein Klüngel, der gezielt die zentralen Gremien majorisiert hat und der sich aus den Radiogruppen Loretta, Stadtteilradio und Uniradio zusammensetzt: Radiogruppen in denen nur eine Minderheit der Sendenden aktiv organisiert ist. Er lässt keine neuen Radiogruppen zu und weigert sich, über eine  Struktur zu diskutieren, in der die überwiegende Mehrheit der Beteiligten von allen Entscheidungen ausgeschlossen ist. Sendende, die nicht Delegierte sind oder keinen guten Draht zu mindestens einem/r der Delegierten haben, kommen in aller Regel mit ihren Ideen nicht weit. 


Es kann nicht sein, dass in einem politischen Projekt wie dem FSK ein großer Teil der Leute faktisch keine Möglichkeit hat, politisch mitzubestimmen. Wir haben da andere Vorstellungen!

Wir wollen ein Sender Kombinat, in dem politisch auf einer solidarischen Ebene diskutiert wird und nicht einfach eine unpassende Meinung durch plumpe Abstimmung beseitigt wird. In dem Alternativen zur herrschenden Logik ausprobiert werden (können) und nicht die mit den härtesten Ellenbogen gewinnen. Denn Systemkritik hört für uns nicht in den Räumen von FSK auf. Dieser Sender bietet viele Möglichkeiten, es wird Zeit, dass sie mal wieder genutzt werden!

Ein Schritt auf diesem Weg muss die Aufhebung des genannten Sendeverbots sein, doch die Entwicklung darf dort nicht stehen bleiben.

In diesem Sinne hoffen wir auf ein neues, auf ein Freies Sender Kombinat.


Die Sendungen RadioAktiv, Salon Rouge, Back To The Basics, WiseUp!, Spielerfrauen, Trost in lausigen Zeiten, Sonido Bestial  sowie weitere Sendende.

Schreibt uns an fsk-kritik (ädd)  nadir.org. Mehr Texte zum Thema findet ihr im Internet unter http://fsk-kritik.tk.


PS: Gerade haben wir erfahren, dass sich der Redakteur der Sendung Back To The Basics entschieden hat, das FSK zu verlassen. Grund ist das systematische Mobbing, das die AnbieterInnengemeinschaft über Monate gegen ihn betrieben hat – auch ein Weg, sich unbequemer Leute zu entledigen. In letzter Zeit haben zahllose andere Sendungen das FSK verlassen wegen der unhaltbaren, autoritären Verhältnisse und wegen des Klimas der Einschüchterung und Verdächtigung dort – leise, ohne ein Sendeverbot und vermutlich ohne dass es von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden wäre. Viele derer, die übrig bleiben, nutzen das FSK nur noch als Abspielstätte und meiden Begegnungen mit den politischen Strukturen und ihren TrägerInnen.


(1) In der ursprünglich veröffentlichten Fassung dieses Textes stand an dieser Stelle, Akteure und Betroffene seien in der Sendung nicht zu Wort gekommen. Das war inhaltlich falsch. 

Wer sich selbst ein Bild von der Sendung machen will:

Hier findet sich ein Mitschnitt und hier ein Transkript.