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zum ausdrucken. Salon Rouge Beitrag im Mai 2006 zur Struktur des FSK: Musikalische Dauerschleifen; dutzendfache Wiederholungen jahrealter Sendungen; uninformierte, selbstgerechte und katastrophal schlecht gesprochene Wortbeiträge: Wenn man sich umhört, was andere über das FSK denken, bekommt man wenig Gutes zu hören. Und tatsächlich könnte der Zustand, in dem das Freie Sender Kombinat sich seinen Hörerinnen und Hörern präsentiert, schlechter kaum sein. Umso erstaunlicher scheint es, dass das Delegiertenplenum des FSK offenbar strengste Kriterien anlegt, wenn es darum geht, ob eine neue Sendung zugelassen wird. Jüngst hat das Plenum sogar die Anti-Atom-Sendung „Restrisiko“ abblitzen lassen, die von einem bundesweiten Zusammenschluss verschiedener Freier Radios produziert wird. Monat für Monat ist sie auf bislang sieben Stationen zu hören – beim FSK-Delegiertenplenum hat sie die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Begründung: In einer probegehörten Sendung sei zu wenig Gewicht darauf gelegt worden, die außenpolitischen Ambitionen deutscher Atompolitik zu kritisieren. Außerdem sei es die FSK-Anti-Atom-Redaktion „Radio aktiv“, die die bundesweite Sendung ins Hamburger Programm heben wolle. Und gegen „Radio aktiv“ hege man Misstrauen. Schließlich habe die Redaktion vor anderthalb Jahren Streit mit einer anderen Redaktion gehabt, und es sei nicht klar, ob sie die Sendung „Restrisiko“ auch immer ausreichend auf unerwünschte Inhalte kontrollieren würde, bevor diese über den Äther ginge. Ein absurdes Argument, denn einen Grund für politisches Misstrauen hat die Sendung „Restrisiko“ in mehreren Jahren ihres Bestehens nicht geliefert. Und falls es doch einmal einen Verstoß gegen Grundsätze des Freien Sender Kombinats geben sollte, hätte die FSK-Redaktion „Radio Aktiv“ eben dafür geradezustehen. Genauso wie jede FSK-Sendungsredaktion geradezustehen hat für die Sendungen, die sie verantwortet. Absurd ist der Beschluss des Delegiertenplenums aber auch, weil er eine Sendung ablehnt wegen der bloßen Möglichkeit, dass in ihr einmal etwas Unerwünschtes gesagt werden könnte. „Kann man machen, muss man nicht machen.“ So fasste eine FSK-Delegierte ihre Meinung zur Ausstrahlung von „Restrisiko“ zusammen. Die Aussage darf man als typisch nehmen. Ihre entpolitisiere Haltung ist im FSK-Delegiertenplenum mittlerweile gang und gäbe. Sie behandelt die Sendung, als wäre sie eine beliebige Spielerei zum persönlichen Vergnügen Einzelner. Tatsächlich ist sie aber ein politisches Magazin aus der Anti-AKW-Bewegung, das monatlich informiert über Neuigkeiten aus dieser Bewegung, über die aktuelle Atompolitik, erneuerbare Energien und Nuklearwaffen. Dabei hat sie zumindest in der Vergangenheit journalistisch auf einem Niveau gearbeitet, das viele FSK-Sendungen nicht einmal aus der Entfernung kennen. Wofür „Restrisiko“ übrigens im vergangenen Jahr mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet wurde. Und auch von der Struktur, die hinter dieser Sendung steht, könnte manche FSK-Sendung einiges lernen. Die beträchtliche Arbeit, die eine gut gemachte Sendung verlangt, wird hier nämlich auf viele Schultern verteilt. An „Restrisiko“ beteiligen sich verschiedene Redaktionen und Einzelpersonen von verschiedenen Orten aus. Das gibt allen mehr Zeit, ihren jeweiligen Beitrag sorgfältiger vorzubereiten. Es ist demokratischer, und es bildet auch ein breiteres Spektrum an Themen und Meinungen ab. Ein absurder Beschluss also – aber nur einer von einer Reihe absurder Beschlüsse, mit denen das Delegiertenplenum mittlerweile alles abbügelt, was einen irgendwie anderen Stallgeruch hat. Das Problem ist schon alt, doch in letzter Zeit hat es sich in besorgniserregender Weise verschärft. Jüngstes Beispiel ist ein Sendeverbot, das Wolfgang traf, einen Redakteur des Infos Knast und Justiz. Seit Jahren macht die Redaktion Knast und Justiz Freitagabends zwischen sieben und acht eine Sendung. Jetzt wollte sie an einem Donnerstag eine zusätzliche Sendung zwischen fünf und sieben machen. Terminlich kein Problem, aber offenbar aus anderen Gründen. Die Redaktion Knast und Justiz musste jedenfalls ein Vierteljahr lang beim monatlichen Delegiertenplenum vorsprechen, bevor sie den Bescheid bekam: Sie darf die zusätzliche Sendung nur machen, wenn Wolfgang nicht dabei ist. Denn der sei ehemaliges Mitglied der mittlerweile aufgelösten Radiogruppe Forum Radio, und deren ehemaligen Mitgliedern wolle man keine weitere Sendezeit geben. Eine reine Willkürmaßnahme, könnte man sagen, denn entweder jemand darf senden, oder er darf es nicht. Ihm zu verbieten, an einer Sendung seiner eigenen Redaktion nicht teilzunehmen, ist Willkür. Sendende erster und solche zweiter Klasse kann es in einem linken Projekt nicht geben. Offenbar sah das auch die Redaktion Knast und Justiz so, denn sie ging am besagten Donnerstag mit Wolfgang auf Sendung. Woraufhin es ein totales Sendeverbot setzte, allerdings nicht gegen die Redaktion, die ja gemeinsam gegen die Anweisung des Delegiertenplenums verstoßen hatte, sondern nur gegen Wolfgang. Die Begründung, die im Protokoll des Plenums zu lesen ist, zieht denn auch ein zusätzliches Argument heran: Wolfgang habe gegen eine Art Bewährungsauflagen verstoßen, die ihm vor drei Jahren gemacht worden seien. Damals war ein früheres Sendeverbot gegen ihn wieder aufgehoben worden. In einer Sendung von Knast und Justiz hatte ein Gast sich antisemitisch geäußert, ohne dass Wolfgang interveniert hatte. Daraufhin war er mit einem Sendeverbot belegt worden, das zweieinhalb Jahre später wieder aufgehoben wurde. Irgendwelche Auflagen hat das Delegiertenplenum damals nicht verhängt. Zumindest konnte niemand, den ich gefragt habe, sich an solche Auflagen erinnern. Und auch im damaligen Protokoll sind keine zu finden. Auch im aktuellen Protokoll steht nicht, gegen welche Auflage Wolfgang verstoßen haben soll. Ohnehin ist die Idee, gegen Aktive des FSK unbefristete Auflagen zu verhängen, reichlich bizarr. Würde das doch bedeuten, dass einige Leute bis ans Ende ihres Lebens Sendende zweiter Klasse wären – eine Diskriminierung, die es nicht einmal in der bürgerlichen Justiz gibt. Die nämlich kennt keine unbefristeten Bewährungsauflagen. Worum es in Wolfgangs Fall in Wirklichkeit geht, hat mir XXX erklärt. Er ist presserechtlich Verantwortlicher des FSK und Delegierter im Delegiertenplenum. Ich hatte ihn um ein Interview in dieser Sache gebeten, aber XXX wollte nur live darüber sprechen. Aufgezeichnete Interviews könnten schließlich verfälscht und manipuliert werden. Am heutigen Abend stand er für ein Live-Interview dann allerdings aus terminlichen Gründen nicht zur Verfügung. Wolfgang, so sagte er mir, habe immer wieder gegen die Interessen des Projekts verstoßen. Beispielsweise habe er den Sender vor Gericht gezerrt. Und er habe immer wieder politische Gruppen ins Radio geholt, die dort unerwünscht seien. Tatsächlich hat die mittlerweile aufgelöste Gruppe Forum Radio das Delegiertenplenum des FSK bei Gericht verklagt. Nur ist diese Klage Jahre her. Und Wolfgang hat sich wiederholt gegen diese Klage geäußert. Zudem gibt es mehrere weitere ehemalige Mitglieder von Forum Radio beim FSK. Müssen auch sie jetzt mit einem Sendeverbot rechnen? Was die politischen Gruppen angeht, die angeblich im FSK unerwünscht sind, kann man nur sagen: Solange es keinen Beschluss gibt, der die Zusammenarbeit mit bestimmten Gruppen verbietet, kann auch niemand für eine solche Zusammenarbeit bestraft werden. Gibt es aber einen solchen Beschluss, dann muss er auf den Tisch, zusammen mit den Daten, wann und in welcher Form Wolfgang dagegen verstoßen haben soll. Wolfgang wurde aber nicht einmal eingeladen, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, die gegen ihn erhoben wurden. Aus den Protokollen der Sitzungen gehen die Vorwürfe nicht einmal hervor. Hier
wie im Fall der Anti-Atom-Sendung „Restrisiko“ zeigt das
FSK-Delegiertenplenum einen hochgradig autoritären und
undemokratischen Umgang. Möglich ist er, weil eine kleine Gruppe
von Leuten mittlerweile die Geschicke des gesamten Senders lenkt. Sie
glaubt ihre Ansichten bequem per Mehrheitsbeschluss durchsetzen zu
können, ohne lästige Diskussionen oder gar Kompromisse mit
anderen. Wir
selbst von der Redaktion dieser Sendung, dem Salon Rouge, haben das
in den vergangenen Jahren immer wieder am eigenen Leib zu spüren
bekommen. Etwa zwei Jahre lang haben wir uns vergeblich bemüht,
bei Uniradio mitzuarbeiten – einer der ehemals fünf Gruppen,
aus denen das FSK sich zusammensetzt. An den Sitzungen durften wir
zwar teilnehmen, Delegierte zu wählen oder gar selbst zu stellen
wurde uns aber verwehrt – und zwar grundsätzlich. Begründung:
Delegierte würden bei Uniradio nicht gewählt, sondern von
den Delegierten selbst bestimmt. Das habe man schon immer so gemacht
und werde es unseretwegen sicher nicht ändern. Delegierte
wollten wir aber schon deshalb gern selbst wählen, weil sie bei
Uniradio nicht an das Votum der Basis gebunden sind, sondern allein
ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. Eine Konstellation, die zur
grotesken Situation führte, dass mehr als die Hälfte der
Uniradio-Aktiven gegen das Verbot der Sendung „Schwarzer Kanal“
waren, die drei Delegierten von Uniradio aber geschlossen für
das Verbot stimmten. Wer
sich in eine Sitzung von Uniradio setzt, darf zwar nicht
mitbestimmen, wird aber in der Regel freundlich behandelt. Das ist
beim Delegiertenplenum des FSK anders. Dort versucht man mit Erfolg,
Außenstehende auch draußen zu halten – mit allen
Mitteln des Mobbings und der Angriffe unterhalb der Gürtellinie.
Um ein Beispiel von vielen zu nennen: Als ich einmal an einer Sitzung
dieses Gremiums teilgenommen habe, habe ich zu einem Diskussionspunkt
meine Meinung geäußert. Daraufhin meldete sich ein
Delegierter zu Wort und wies darauf hin, dass es zwei Formen von
Antisemitismus gäbe: den theoretischen und den praktischen. Ich
aber hätte mich einige Tage zuvor in der praktischen geübt.
Da nämlich hätte ich am Rande einer Demonstration in der
Nähe von Antisemiten gestanden. Wenn das Plenum es wünsche,
könne er das auch beweisen: mit Fotos, die heimlich von mir
gemacht worden seien. Die Delegierten konnten überhaupt nicht
verstehen, was ich an diesem Wortbeitrag so skandalös fand. Es
gäbe tatsächlich einen theoretischen und einen praktischen
Antisemitismus, und fotografiert hätten auf der Demo doch alle
möglichen Leute. Sich
auf der Sitzung zu Wort zu melden ist aber gar nicht nötig, um
Missfallen zu erregen. Als ich Anfang dieses Monats dort war, habe
ich gar nichts gesagt. Allerdings habe ich mir Notizen gemacht. Und
das wurde mehrmals laut kommentiert: „Ah, er schreibt wieder mit!
Schön alles mitschreiben! Pass auf, dass du alles mitschreibst!“
und so weiter. Ich habe das ignoriert, später aber XXX, einen
der Delegierten darauf angesprochen. Seine Antwort: „Aber du warst
der einzige, der mitgeschrieben hat! Da fragt man sich schon, wozu
macht der das? Schließlich gibt es ja ein Protokoll. Als du weg
warst, haben sich alle darüber unterhalten, dass du da
mitgeschrieben hast. Da überlegt man schon, was hat der vor?“ Diese
Atmosphäre des Misstrauens und der Verdächtigung, der
Einschüchterung und Bedrohung hat schon viele Aktive aus dem
FSK vertrieben. Neue Leute und Gruppen hält sie fern. Die Folge:
Dauerschleifen, endlose Wiederholungen, schnarchige Sendungen.
Ändern
kann das nur Druck von außen. Wir wollen ein solidarisches FSK
mit offenen und demokratischen Strukturen. Dafür brauchen wir
solidarische Kritik von außen, und wir brauchen mehr Menschen,
die bereit sind, hier im FSK Sendungen zu machen. |